Im Spagat zwischen Tradition und Experimentierfreudigkeit
Das Klanghaus Toggenburg hat Form angenommen. Bis Ende des Jahres soll es bezugsfertig sein und der Stiftung «Klangwelt Toggenburg» übergeben werden.
Die Lignum Holzkette St.Gallen führte in diesem Jahr zusammen mit Lignum Ost, der Thurgauer Arbeitsgemeinschaft für die Holzwirtschaft und dem Architektur Forum Ostschweiz die alljährliche Exkursion durch, bei der jeweils ein ausserordentliches Holzbauwerk besichtigt wird. Rund 60 Architekten und Baufachleute trafen sich auf der Baustelle des Klanghauses Toggenburg, das oberhalb von Wildhaus am Schwendisee für rund 17 Millionen Franken gebaut wird. Das komplexe Gebäude wird nach der Fertigstellung über eine Akustik verfügen, die es in dieser Form bislang noch nicht gibt.
Das begehbare Instrument am Schwendisee
Die ausführende Architektin Astrid Staufer von Staufer & Hasler Architekten Frauenfeld betonte, dass das Klanghaus kein Konzerthaus, sondern ein begehbares Instrument wird. Der Korpus, der einer Violine ähnelt, besteht aus drei Flügeln mit den Klangräumen «Stube», «Schafberg» und «Schwendisee». Die drei Flügel bilden auch drei Buchten, die als Vorplatz und für zwei Aussenbühnen genutzt werden und vereinen sich im Zentralraum. Das introvertierte Zentrum des Gebäudes hat keine Fenster und wird von oben belichtet, damit man sich voll auf die Musik konzentrieren kann. In die Wände mit unterschiedlichen Füllungen und übergrossen Hackbrettornamenten werden in Zusammenarbeit mit dem Klangkünstler Andreas Bosshard in unterschiedlichen Höhen speziell angefertigte Klangschalen aus unterschiedlichen Materialien integriert. Im Boden, der noch mit geöltem Eichenholzparkett belegt wird, sind drei Resonanzräume eingelassen, die auf jeweils einen Flügel ausgerichtet sind und zum eigenen Instrument werden, wenn darauf getanzt und gestampft wird. Die beweglichen Wände zwischen Zentralraum und den Klangräumen ermöglichen neben einer grandiosen Aussicht auch ein verändertes Raumvolumen, das wiederum einen Einfluss auf die Akustik hat. Die Buchten mit den nach innen gewölbten Wänden bündeln zudem die Geräusche der Natur, die in die Musik mit einbezogen werden können. Staufer betonte, dass in dem Haus nicht nur Folklore, sondern auch experimentelle Naturmusik aus verschiedenen Kulturen gemacht werden soll. „Man kann heute alles berechnen, aber unkonventionelle Ideen muss man ausprobieren“, fügte die Klangbegleiterin Leonie Holenstein von der «Klangwelt Toggenburg» hinzu. Die drei Klangräume haben unterschiedliche Proportionen, Aussichten und akustische Qualitäten und neben dem Zentralraum gibt es im Obergeschoss noch einen Übungsraum, der auch für Yoga genutzt werden soll.
Untypischer Holzbau steht im Kontrast zur Natur
Im Klanghaus gibt es keine parallelen Wände. Es ist bewusst rund gehalten, damit der Klang aus möglichst unterschiedlichen Richtungen fein gestreut an die Ohren kommt. „Das runde Gebäude wiederspricht jeder Logik vom Holzbau, der eigentlich rechteckig ist“, sagte Staufer. Sie betonte, dass der Raum mehr kann, als nur die Augen zu befriedigen. „Wir probieren eine Architektur zu machen, die über die Augen die Ohren öffnet“, sagte Staufer. Richard Jussel, Geschäftsführer der für die Planung und Ausführung der Gebäudehülle verantwortlichen Blumer-Lehmann AG Gossau, betonte, dass die Schallisolation eine grosse Herausforderung ist. „Gebäude, in denen Musik gemacht wird, müsssen nicht von aussen nach innen, sondern von innen nach aussen schalldicht gemacht werden, damit der Ton kontrolliert im Raum gehalten werden kann“, erklärte Jussel.
Bis im November soll alles fertig sein
Zurzeit wird die Gebäudetechnik installiert und der Innenausbau fertiggestellt. Im November will das Hochbauamt des Kantons St. Gallen als Bauherrschaft das Klanghaus der Stiftung «Klangwelt Toggenburg» übergeben, die die musikalische Tradition des Toggenburgs vermittelt. Vor der offiziellen Inbetriebnahme Ende Mai 2025 werden der Zentralraum und die drei Klangräume wie Instrumente gestimmt. Dann können sich Musik- und Gesangsgruppen, Chöre und Orchester in die aussergewöhnlichen akustischen Arbeitsräume für Proben, Kurse, Workshops, Seminare und Symposien einmieten. Obwohl bei geöffneten Wänden rund 150 Personen Platz finden würden, wird es kein Konzertsaal. „ Es wird allenfalls mal ein Werkstattkonzert geben“, sagte Leonie Holenstein und betonte, dass das Klanghaus ein Ort für Begegnungen und Austausch wird.
Thomas Güntert