Mit Holzbauten erfolgreich Erdbeben trotzen
Erbebensicher Bauen mit Holz? Ja, das gehe nicht nur, sondern ist sogar eine hervorragende Sache, um auch hierzulande einem der wuchtigen Erdstösse zu trotzen, erklärte Ivan Brühwiler am Dienstagabend in Amriswil.
Eingeladen zum Themenabend «Holzbauten trotz(en) Erdbeben» hatte die in Weinfelden beheimatete Netzwerkorganisation Lignum Ost, welche sich entlang der ganzen Wertschöpfungskette – vom Baum im Wald bis zum fertigen Holzprodukt zu Hause – für die Verwendung einheimischen Holzes einsetzt. Das Referat wurde vom Holzbauingenieur Ivan Brühwiler in den Räumlichkeiten der Amriswiler Krattiger Holzbau AG vor rund 60 Fachpersonen gehalten.
«Wie, wenn Sie eine Münze werfen»
Brühwiler erklärte, dass, unabhängig vom verwendeten Material, alle Bauten – egal, ob einstöckige Lagerhalle oder riesiges Mehrfamilienhaus – seit 2003 den SIA-Tragwerksnormen genügen müssten. Erdbeben seien zwar in der Region Ostschweiz häufig nicht allzu heftig, aber die Wahrscheinlichkeit, dass man binnen 50 Jahre in der Schweiz ein Erdbeben mit der Magnitude 6 passiere, betrage 50 Prozent. «Das ist so, wie wenn sie eine Münze werfen», so Brühwiler. Zum Vergleich: Die Wahrscheinlichkeit, dass man in jeweils 80 Jahren vom Blitz getroffen (1:12'500), im Lotto gewinne (1:630) oder bei einem Verkehrsunfall ums Leben komme (1:68) seit bedeutend geringer – und werde dennoch von vielen Menschen nie aus Möglichkeit ausgeschlossen. Doch was bedeutet das genau? Nun, bei einem Erdstoss der Magnitude 6 können anfällige Häuser zerstört und robuste Häuser zumindest in Mitleidenschaft gezogen werden.
Holz wird bei Erdbeben «kräftiger»
Brühwiler erklärte, dass die heutigen Grundrisse (offene Raumgestaltung, grosse Fensterfronten) eine «genauere Betrachtung der Aussteifung» verlange. Denn die zu tragenden Erdbebenlasten seien abhängig von der Gebäudesteifigkeit. «Das ist ein Vorteil für die Holzbauweise, denn Holz hat ein sehr gutes Verhältnis von Eigengewicht zur Tragfähigkeit, führen doch die geringeren Masse zu deutlich kleineren Erdbebenkräften, die abgeführt werden müssen. Ausserdem zeigt Holz bei kurzen Belastungsdauern wie einem Erdbeben, eine erhöhte Tragfähigkeit», so Brühwiler. Es sei zudem sinnvoll auf relativ einfache Baugrundrisse und regelmässig verteilte Aussteifungssysteme in einem Bau zu setzen, denn damit könne man zum einen das Ersatzkraftverfahren einfacher berechnen und zum anderen eine höhere Robustheit des Baus erreichen.
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Was besagt eigentlich die Richterskala?
Die Richterskala dient dazu, Aussagen über die Stärke von Erdbeben zu treffen. Sie wurde vom US-amerikanischen Seismologen Charles Francis Richter (1900 bis 1985) entwickelt und in den 1930er Jahren eingeführt. Als Skala dient die Magnitude. Das Wort Magnitude stammt vom lateinischen Begriff "magnitudo" (Grösse). Da die Ausschläge auf dem Seismogramm in natürlichen Zahlen nicht mehr übersichtlich dargestellt werden können, baute Richter die Skala logarithmisch auf. Unterscheiden sich Erdbeben vom maximalen Ausschlag her um den Faktor zehn, so unterscheiden sie sich in ihrer Magnitude auf der Richter-Skala um den Wert eins. Ein Beben der Stärke sieben ist folglich zehnmal so stark wie ein Beben der Stärke sechs, 100mal so stark wie ein Beben der Stärke fünf und 1.000 Mal so stark wie ein Beben der Stärke vier. Ab Stärke drei spüren Anwohner in besiedelten Gegenden die Beben. Ab Stärke fünf muss man mit Schäden rechnen. (art.)
CHRISTOF LAMPART