Die Holzbranche hat das Vertrauen in die Fichte verloren
In den letzten zehn Jahren führten ungünstige Abfolgen von Sturm, Hitze und Trockenheit, sowie fehlende Kapazitäten in der Holzernte zu grossen Schäden durch den Borkenkäferbefall. Wie sich die Wälder im westlichen Thurgau verändert haben und sich künftig noch verändern werden, war das Thema beim Herbst Event von Lignum Ost, dem Dachverband der Thurgauer Holzwirtschaft.
Text und Bilder: Thomas Güntert
„Die Fichte als Lieblingsbaum der Holzindustrie hat sich im Kanton Thurgau sehr reduziert“, sagte Paul Koch, Präsident Lignum Ost, als er am letzten Freitag im Werkhof Kalchrain des Forstbetriebs Seerücken in Hüttwilen rund 20 Vertreter der Holzbranche begrüssen konnte. Für den Kantonsrat und Revierförster bei Thurforst könnten Flatterulme, Tulpenbaum, Weissweide, Pappeln und Birken durchaus Alternativen für die Fichte sein. Daniel Böhi bemerkte in seinem Referat, dass es in den letzten zehn Jahren Extremwetterereignisse mit Trockenheit, aber auch Starkniederschlägen gab. „Im Jahr 2018 war der Thurgau braun und der Wald hat extrem gelitten“, sagte der Kantonsforstingenieur und betonte, dass es nicht möglich ist, den Wald in zehn Jahren den klimatischen Veränderungen anzupassen. Er bemerkte, dass das Waldgesetz zum Vorteil der Waldbesitzer ergänzt wird und der Kanton künftig Finanzhilfen für einen naturnahen und an die veränderten klimatischen Bedingungen orientierten Waldbau bezahlt. Das Forstamt empfiehlt bei der Wiederbewaldung von Schadflächen möglichst auf Naturverjüngung zu setzen und bei Pflanzungen gezielte Baumarten auszuwählen. Dabei sei die Standortkarte, die seit über 20 Jahren zeigt, was von Natur aus vorhanden ist, immer noch eine gute Grundlage. Mittlerweile gibt es mit der Tree-App eine neue Ergänzung, die berechnet, welche Bäume bei einem veränderten Standort wachsen würden. „Das Ziel ist ein stabiler, vielfältiger Wald mit zukunftsfähigen Baumarten“, sagte Böhi.
Borkenkäfer bodigte den Holzmarkt
Ulrich Ulmer, Kreisforstingenieur vom Forstkreis 3, bemerkte im zweiten Referat, dass der Borkenkäfer, der nur die Fichte befällt, im Jahr 2015 vereinzelt wieder aufgetreten ist und am 2. August 2017 ein orkanartiger Sturm im westlichen Thurgauer Kantonsteil mit 30´000 m³ Schadholz grosse Schäden angerichtet hat. Nachdem die geschwächten Fichten vom Borkenkäfer befallen wurden, explodierte die Population. „Der Kanton hat im Jahr 2019 rund 665´000 Franken für die Mehraufwände bei der Borkenkäferbekämpfung eingesetzt“, sagte Ulmer. Das vom Käfer befallene Holz musste geschält und aus dem Wald auf ein Zwischenlager transportiert, sowie das restliche Holz zu Hackschnitzel verarbeitet werden. Die Holzernte-Logistik war derart überfordert, dass die Bekämpfung teilweise aufgegeben wurde. Hochwertiges Holz wurde für weniger als 30 Fr./m³ weit unter Wert nach China verschleudert. Ab 2021 ist die Schadenmengen zurückgegangen. Der Borkenkäfer hat sich aber mittlerweile auf den gesamten Kanton verbreitet. „Es gibt Gebiete, in denen sich der Borkenkäfer bei entsprechender Witterung erst beginnt, sich auszubreiten“, warnte Ulmer. Im Forstkreis 3, wo sich der Fichtenvorrat in den letzten zehn Jahren um ein Viertel reduzierte, wurde im Jahr 2017 damit begonnen, grosse Schadflächen wieder zu bewalden. Es konnten Beiträge für Neupflanzungen und Naturverjüngung gesichert werden, um das Risiko durch die Pflanzung von verschiedenen Baumarten zu verteilen. Bei der Naturverjüngung werden die Laubbaumarten Eiche, Buche, Bergahorn, Hagebuche und Birke ebenso gefördert wie die Nadelhölzer Tanne, Föhre und Fichte. Für gezielte Ergänzungspflanzungen werden Eiche, Linde, Spitzahorn, Baumhasel, Elsbeer, Tanne und Douglasie gesetzt. Die Fichte wird finanziell nicht mehr gefördert. Wenn die Schadfläche geräumt und neu angepflanzt ist, wird die Hälfte des Beitrags ausbezahlt und bei der Sicherung des Bestandes der Rest. Im Kanton Thurgau wurden auf rund 350 Hektaren Schadflächen Wiederbewaldungen gestartet, wovon 300 Hektaren zum Forstkreis 3 gehören. Die Aufforstung erfolgt zu 75 % durch Naturverjüngung, 13% Naturverjüngung mit Ergänzungspflanzungen und 12 % durch spezielle Pflanzungen. Bei etwa der Hälfte der Aufforstung ist die Erfolgskontrolle bereits abgeschlossen.
Praxisbeispiele im Wald
Im Anschluss an die beiden Fachreferate zeigte Stefan Bottlang, Leiter vom Forstbetrieb Seerücken-Rhein einige wiederbewaldete Standorte. Die Stürme vom August 2017 und «Burglind» im Januar 2018 haben auf einem Waldstück der Bürgergemeinde Hüttwilen alle dicken Fichten abgebrochen. Nachdem die Fläche vom Vollernter geräumt war, wurden an einem Pflanztag mit der Bürgergemeinde traditionell eine halbe Hektare Stileichen gesetzt. „Eine vollbepflanzte Fläche hat einen erheblichen Aufwand an Pflanzmaterial und Pflege“, betonte Bottlang. Eine andere Schadfläche mit spärlicher Naturverjüngung wurde mit gezielten Baumarten ergänzt und mit Kleinzäunen und einzelnen Drahtgeflechten vor dem Wild geschützt. Die Bürgergemeinde kam dabei finanziell und der Forst personell an die Grenzen. „Wenn Katastrophen auftreten, dann kommt man nicht mehr nach, sonst wären wir ja überbesetzt“, sagte Ulmer. Paul Koch bemerkte, dass die Fichte seit 40 Jahren nicht mehr so oft in Monokulturen gepflanzt wird und bald die erste Generation Mischwaldbestände ins Nutzholz Alter kommt, die aber lediglich nur noch ein Anteil von 20 Prozent Fichten hat. Christoph Ammann, Revierförster vom Forstbetrieb Fischingen bemerkte, dass die Fichte bei ihm auf den lehmigen Böden gut wächst und kein Wildverbiss hat, mit dem Alter durch Schneebruch, Sturm und Borkenkäfer aber umso anfälliger wird. Koch bemerkte, dass es im Hinterthurgau und dem südlichen Kantonsteil noch grössere Fichtenbestände gibt und dass Solitärfichten in Laubholzbeständen widerstandsfähiger sind als in Monokulturen. „In grosser Zahl gehört die Fichte nicht hier her“, betonte Bottlang. Es wurde auch angesprochen, dass jede Holzart gewisse Risiken hat. Bestes Beispiel ist die Esche, die innerhalb kurzer Zeit durch die Eschenwelke in einigen Beständen völlig verschwunden ist. Die Holzfachleute waren sich einig, dass sich das Waldbild extrem verändern wird und man sich künftig mit neuen Verhältnissen auseinandersetzen muss, wenn man auch künftig mit regionalem Holz bauen will.
Die Baubranche braucht immer mehr Holz
Philipp Schmon, Bauingenieur bei der SJB Kempter Fitze AG, erwähnte, dass die erforderliche Holzmenge für die Baubranche kontinuierlich steigen wird, weil immer grössere Gebäude in Holz gebaut werden. Als Beispiel nannte er das Regierungsgebäude in Frauenfeld, wo die Bauteile aus Eschen Brettschichtholz und die Fassade aus Weisstanne und Eiche sind. Das leicht blauschimmernde Borkenkäferholz verleiht dem Ergänzungsbau zudem einen gewissen Charme. Die Baubranche muss mit einem optimierten Einsatz den Holzverbrauch reduzieren, Holzprodukte aus Hartholz weiterentwickeln, einen Weichholzersatz für die Fichte und Hartholzalternativen für die Buche finden. „Man kann jedes Holz verarbeiten, man muss aber wissen wie“, sagte Schmon. Im Kanton Thurgau stehen dafür rund 30 Baumarten zur Verfügung.