Überbauung Waldacker in St.Gallen
Thomas Güntert
Die Lignum Sektionen St.Gallen und Thurgau haben zusammen mit dem Architektur Forum Ostschweiz zu einer Besichtigung der Wohnüberbauung Waldacker nach St.Gallen eingeladen. Es war bereits der vierte „hölzerne“ Anlass, der von den drei Organisationen durchgeführt wurde. Erwin Rebmann vom Vorstand Lignum Holzkette St.Gallen und Simon Biegger, Geschäftsführer von Lignum Ost Thurgau konnten rund 60 Architekten und Planer auf eine zweistündige Baustellenführung schicken, bei der David Renggli, Verena Egli und Konrad Leuenberger von der Renggli AG, sowie Yves Schihin von der Oxid Architektur GmbH ausführlich informierten.
Traditioneller Holzbaubetrieb wird zum Systembauer
Das Unternehmen Renggli wurde 1923 von Gottfried Renggli in Schötz (LU) als traditioneller Holzbau- und Sägereibetrieb gegründet. Im Jahr 1991 führten Max und Beat Renggli den Familienbetrieb mit zwölf Mitarbeitenden in die vierte Generation. Mittlerweile ist Renggli einer der Schweizer Marktführer im Holzsystembau und der Wechsel in die fünfte Familiengeneration steht an. Die mittlerweile rund 250 Mitarbeitenden verteilen sich zu jeweils einem Drittel auf Planung & Engineering, Produktion & Montage, sowie Projektmanagement und realisieren jährlich rund 150 Projekte als Holzbaupartner und Generalunternehmer. Das von Pioniergeist und Innovationslust geprägte Unternehmen hat sich über die Landesgrenzen hinaus im nachhaltigen Holzbau profiliert. Die anspruchsvollen Bauprojekte erstrecken sich von grossen Wohnsiedlungen, über gewerbliche und öffentliche Bauten, bis zum energieeffizienten Einfamilienhaus.
Auf der Baustelle wird zügig geschafft
Im Herbst 2016 hatte die Ortsbürgergemeinde St.Gallen einen offenen Studienauftrag ausgeschrieben. Da die Grundstückeigentümerin selbst viel Wald besitzt, wurde eine nachhaltige Projektentwicklungen gefordert und den Einsatz von Holz positiv bewertet. Um die kulturhistorisch wichtigen Einzelbauten der Umgebung des Burgweier Areals, wie den Tröckneturm oder die Maria Einsiedeln Kapelle nicht zu konkurrenzieren, sollten die Neubauten bewusst flach gehalten werden. Die Bietergemeinschaft Renggli AG Schötz, Oxid Architektur GmbH Zürich und Appert Zwahlen Partner AG Cham als Landschaftsarchitekt ging unter 25 ausgearbeiteten Projektideen als Gewinner hervor. Dabei tritt Previs Vorsorge aus Bern als Investorin des 42 Millionen Bauprojekts mit einem Gesamtbauvolumen von 46´000 m³ und einer Hauptnutzfläche von 8´800 m² auf. David Renggli erwähnte, dass das Sondernutzungsplan-Verfahren für dieses Projekt fast zwei Jahre lang dauerte, ehe im Februar 2020 mit dem Tiefbau begonnen werden konnte. Im Juni letzten Jahres legte der Baumeister los und seit November wurden die ersten Holzbauelemente gesetzt. In 140 Tagen wurden auf dem Bau alle 110 Wohnungen aufgerichtet. Im Oktober 2021 sollen die ersten Mieter einziehen und der Bezug des zweiten Gebäudes im Februar 2022 erfolgen.
Nachhaltigkeit steht im Vordergrund
Die Wohnüberbauung wurde auf eine grüne Wiese der Ortsgemeinde St.Gallen gebaut, die direkt am Naherholungsgebiet vom Burgweiher im Südwesten vom Zentrum liegt. Das auf Nachhaltigkeit ausgerichtete und SNBS-zertifizierte Grossbauprojekt setzt sich aus zwei langen geknickten Gebäudezeilen zusammen, die sich parallel zum Hang an das Gelände anschmiegen. Die beiden Gebäudezeilen mit jeweils drei Häuser beinhalten 110 Wohnungen und einen Gemeinschaftsraum, wobei sich das Angebot vom Studio bis zur 5,5 Zimmerwohnung erstreckt. Durch den Verzicht von Erschliessungszonen sind die Wohnflächen sehr kompakt, was sich auf den Mietpreis auswirkt. So kostet beispielsweise eine 4,5 Zimmerwohnung mit 95 m² monatlich 1700 Franken Miete. Der durchgesteckte Wohnraum hat beidseitig ausgelagerte Flächen in Form von Veranda und integriertem Wintergarten. Die Wohnungen sind durch einen durchgängigen Laubengang erschlossen und der Zugang erfolgt über aussenliegende gedeckte Treppenhäuser. Auf den Dächern werden PV Anlagen installiert und die Wärmeversorgung wird durch das Fernwärmenetz der Stadt St. Gallen sichergestellt. Zwischen den beiden Bauzeilen entsteht ein durchgegrünter Binnenraum mit Spielplatz und Sitznischen, auf den der Gemeinschaftsraum und die Verandas ausgerichtet sind, damit die Bewohner untereinander kommunizieren und soziale Kontakte aufbauen können. Durch die Tiefgarage mit über 80 Stellplätzen soll das Quartier möglichst autofrei gehalten werden. Zudem gibt es eine grosse Anzahl von Veloabstellplätzen und Ladestationen für E-Bikes und E-Autos. Es werden auch Mobility-Fahrzeuge platziert, die von den Mietern genutzt werden können.
Holz hat viele Vorteile
Die beiden vier und fünfgeschossige Wohnkomplexe werden ab Oberkante Untergeschoss fast vollständig in Holzsystembau mit geschlossener hinterlüfteter Fichtenholzschalung gebaut. Durch die neue Brandschutzverordnung konnte auch der Liftschacht in Holzbauweise mit Gipsfaserplattenverkleidung erstellt werden. Für die Decken wurden 26 Zentimeter dicke Holz-Rippendeckelemente mit Kalk-Split Schüttung verwendet, wobei die Holzdeckenspannweiten 3,75 Meter betragen. Die dünn gehaltene Bodenfläche wird mit einem Anhydrit Estrich belegt. Im Laubengang ist der Brandschutz durch sichtbare, hochverdichtete Gipsfaserplatten auf den Holzrippen gelöst worden. „Es ist schön, dass man diese Platten so zeigen darf“ sagte Leuenberger. Der Schallschutz der Wände wird durch die Mehrschichtigkeit der Elemente und Dämmeinlagen gelöst. Die witterungsgeschützte Fassade wirkt mit einem warmen Naturholzton sehr behaglich und die Aussenfassade durch die horizontal und vertikal aufgebrachte Fichtenholz-Schalung und drei unterschiedliche Silbergrautöne bewusst verspielt. Durch die Dünnschichtlasur kommen die natürlichen Eigenschaften zum Ausdruck, die sich nach der Verwitterung jedoch reduzieren. Die kurze Bauzeit ist auf den hohen Vorfertigungsgrad der kosteneffizienten und qualitativ hochwertigen Holzbauelemente im Renggli-Produktionswerk in Schötz (LU) zurückzuführen. Innerhalb einer Woche kann auf der Baustelle ein Geschoss aufgerichtet werden, während im Werk die nächsten Hohlkastenelemente mit integriertem Wärme- und Schallschutz, sowie der Leerverrohrung vorgefertigt werden. Konrad Leuenberger erklärte, dass durch die Vorfertigung im Werk eine höhere Qualität des Halbfertigprodukts entsteht und durch die Trockenbauweise weniger Baufeuchte eingebracht wird.“ Durch die präzise Vorfertigung des Holzsystembaus können die Fehler auf dem Bau merklich verringert werden was signifikant weniger Ad hoc Anpassungen und Mängel zur Folge hat.
Bedürfnisse der Mieter sind gedeckt
Noch bevor die erste Bauetappe abgeschlossen ist, sind 86 Prozent der Wohnungen vermietet. „Das zirkuläre Bauen mit nachwachsendem Rohstoff ist in aller Munde“, sagte Erwin Rebmann. Der Holzbau ist eine zukunftsorientierte Bauweise und sorgt für Behaglichkeit. „Und es ist wunderschön hier“, sagte Verena Egli. In der unmittelbaren Umgebung gibt es verschiedene Sport-, Tennis und Multifunktionsplätze, eine Kapelle, sowie einen Gehweg entlang eines Bachlaufs. Bei der Wohnüberbauung Waldacker wurden rund 3000 m³ Holz und 1800 m³ Beton verbaut. Da ein Kubikmeter Holz eine Tonne CO² bindet, gelangen rund 3000 Tonnen CO² weniger in die Atmosphäre. Wenn man beim Wald von einem Zuwachs von 0,34 m³ pro Sekunde ausgeht, wächst das Holz im Schweizer Wald in 20 Minuten wieder nach, wobei jedoch nicht alles Holz aus den Schweizer Wäldern stammt. Durch die Holzbauweise ist auch ein Drittel weniger an Emissionen entstanden als bei der konventionellen Bauweise. Das additive Holzbausystem reduziert auch die graue Energie gegenüber einem Massivbau drastisch.